An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband 1995
Umschreibung im ehemaligen jüdischen Viertel von Altona von Arne Gleiss und Jens Huckeriede


Die Umschreibung der Straßenzüge (Weitere Bilder)

- Palmaille - Breite Straße - Kirchenstraße - Struenseestraße - Behnstraße

mit Hamburgs bekanntestem Volkslied, das heute noch gegenwärtig ist, erinnert an das Zentrum jüdischen Lebens in Altona.

- Synagogen - koschere Läden - jüdische Schulen und Kindergärten - Mikwe - Gemeindebüros - Rabbiner -

seit 50 Jahren auf Gedenktafeln vergessen.

Wo früher jüdische Einrichtungen zu sehen waren, gibt es einen schriftlichen Hinweis auf dem Fußweg.

Das Lied An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband wurde in der ersten Fassung von Ludwig Wolf 1911 getextet.

Passanten werden über die Buchstaben stolpern - nicht verstehen - Worte lesen - vielleicht nachspüren - wegwischen

Die Farbe wird nach einiger Zeit verwittern, der Text verschwinden.



Installation "An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband"
Wohlers Allee Nr. 58, 1995

Zum Hintergrund:

Die Wohlersallee war ein Zentrum jüdischen Lebens in der ehemaligen Altonaer Gemeinde.
Die jüdische Gemeinde Altona wurde zerstört, der Besitz arisiert und die Erinnerungen daran verstauben in Büchern über früheres Leben.

Die Performance soll an die Geschichte dieses Hauses erinnern.

Das Haus in der Wohlersallee Nr. 58

In dem Altbau befand sich bis ca. 1937/38 ein jüdisches Volksheim.Die Besucher des Hauses konnten eine Bibliothek mit Lesehalle aufsuchen, an Sprachkursen teilnehmen, die Wasch- oder Baderäume nutzen. Darüber hinaus gab es eine ärztliche Beratungsstelle für Kleinkinder und eine Kindertagesstätte, in die ab mittags auch Schulkinder zum Essen kamen und bis zum Abend betreut wurden.

Im Jahre 1996 wird in diesem Haus wieder eine Kindertagesstätte eröffnet.

Umsetzung

Die Installation findet in der Dunkelheit statt, da aus den Zimmern Dias in die Fenster der ersten Etage projeziert werden. Die Zuschauer stehen/sitzen vor dem Haus, im Garten, auf dem Fußweg und auf der Straße.
Die Schauspieler/in und Sängerin/Musiker stehen hinter den Leinwänden in den Zimmern und sind als Schatten sichtbar.

Im mittleren Fenster findet eine Video-Projektion statt. Dias werden von der gegenüberliegenden Straßenseite auf die gesamte Hausfläche projeziert.



Schatten
Installation im Altonaer Museum (Mai-September 1998)



Die Idee für die Installation "Schatten" (Weitere Bilder) entstand 1995 nach der Kunstaktion "Umschreibung". In beiden Fällen war das Volkslied

"An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband"

der Ausgangspunkt für die Suche nach neuen Formen der Erinnerung.

Die von Jens Huckeriede unter Mitwirkung von Arne Gleiss und Asmus Henkel im Zusammenhang mit der Ausstellung "Schatten" - Jüdische Kultur in Altona und Hamburg - für das Altonaer Museum entwickelte Installation zeigt das beim Wegwerfen Neuentdeckte und dann Aufgehobene. Fernab von herkömmlichen Vorstellungen über Denkmäler und Gedenkstätten hat Jens Huckeriede einen Raum konstruiert, der sich deutlich von den beiden anderen Bereichen der Ausstellung im Altonaer Museum unterscheidet. Die Planung einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur in Altona als einer Ausstellung weckt Mutmaßungen über inszenierte Museumsräume, in denen originale Objekte in didaktisch kluger Weise dargestellt und publikumswirksam vermittelt werden. Solche Erwartung wird durch Jens Huckeriedes Arbeit konterkariert. Seine Installation nimmt Bezug auf das Thema und auf das Museum als Veranstaltungsort, sucht dabei aber keine künstliche Verbindung zu den anderen Ausstellungsbereichen, insbesondere zu den dort gezeigten Exponaten. Die Installation versteht sich als autonomes Werk, das selbständig und ohne formale Abhängigkeit vom Ausstellungskontext einen künstlerischen Standpunkt deutlich macht. Als "Wegwerfer" hat der Künstler bei dieser Arbeit eingeschliffene Vergangenheits- bewältigungsstrategien und geläufige moralische Einengungen hinter sich gelassen. Einer wie auch immer gelagerten Beschäftigung mit dem Thema "Juden in Deutschland", ob wissenschaftlich, dokumentarisch oder künstlerisch, wird in der Regel mit dem moralischen Maßstab der politischen Korrektheit begegnet, insbesondere dann, wenn sich jemand, der der Täternation entstammt, damit befasst. Mit dieser Meßlatte wird darüber entschieden, inwieweit das künstlerische Produkt einer Auseinandersetzung mit dem Holocaust dem Verlangen der deutschen Öffentlichkeit nach demonstrativer Wiedergutmachung Genüge zu leisten vermag.

Gabriele Staarmann, aus
Schatten, Jüdische Kultur in Altona und Hamburg,
Dölling und Galitz Verlag, 1998



Transmission II
Erinnerungszyklus, Trilogie, (Teil 2, 2003)



Formen der Erinnerung als kontinuierlicher Prozeß, wobei es vorrangig um eine künstlerische Strategie zur Schärfung der Wahrnehmung für das Abwesende geht.

Ort der szenischen Lesung ist das ehemalige jüdische Volksheim in der Wohlers Allee 58. Seit 1996 betreibt der Verein SterniPark dort ein Kinderhaus.

In den Jahren 1941/1942 wurden 19 jüdische Mitbürger in dem Haus einquartiert; sie lebten dort bis zu ihrer Deportation in die Konzentrationslager Lodz, Minsk, Auschwitz und Theresienstadt.

Dan Wolfs Urgroßonkel, James Wolf, der 1895 das Wolf Trio mitbegründete, war zusammen mit seiner Frau und Schwester in diesem Haus untergebracht. Sie wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. James Wolf wurde 1943 ermordet.

Szenische Lesung/Musikimprovisationen
Aus Nachschrift und Nachschrift 2 von Heimrad Bäcker

6 Schauspieler sitzen im Garten vor dem Haus und lesen die Texte, allein oder im Chor. Sie tragen Mäntel, neben ihnen steht eine Reisetasche oder ein Koffer.

Dan Wolf ist mit 2 Musikern im ersten Stock des Hauses, sie spielen aus den geöffneten Fenstern. Dan Wolf agiert als Rapper mit Texten aus seinem Theaterstück "Stateless". Er beendet die Veranstaltung mit 2 Texten von Heimrad Bäcker.


v.L.: Frank Wolf, Liselotte Höbejögi (geb. Wolf), Dorothy Parker, Marty Wolf, Hinnerk Fock, Miriam Gillis-Carlebach, Esther Bejerano, Helga Obens



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