"Die Jungs mit dem Tüdelband"
Die Gebrüder Wolf Story in den Hamburger Kammerspielen

Ende des 19. Jahrhunderts, als in Deutschland humoristische Sängergesellschaften ihre Hochkonjunktur erlebten, taten sich auch in der Hamburger Neustadt drei stimmbegabte Söhne eines gewissen Isaac Joseph Isaac, Schlachtergeselle seines Zeichens, zu einem Gesangsterzett zusammen und nannten sich "Wolf-Trio". Ludwig galt als künstlerisch führender Kopf der Gruppe, der neben ihm seine Brüder Leopold und James angehörten. 1906 verließ James das Trio, fünf Jahre später erlebten Ludwig und Leopold als "Gebrüder Wolf" ihren großen Durchbruch in der Hamburger Lokal-Revue "Rund um die Alster" am Neuen Operetten-Theater am Spielbudenplatz auf St. Pauli. Dort verkörperten sie als "Fietje" und "Thetje" zwei deftig-humorige Typen vom Hafen, die ihre aktuell gewürzten und oft improvisierten plattdeutschen Döntjes servierten. Als waschechte "Hamborger Jungs" jüdischer Abstammung feierten sie in der ganzjährigen ensuite-Produktion Triumphe, das Lied "Snuten und Poten" wurde zu ihrem Erkennungsschlager. Schallplattenaufnahmen, Ausflüge als Filmschauspieler (im Film "Glückspilze") und Gastauftritte außerhalb Hamburgs erhöhten ihre Popularität noch um einiges.
Die Gebrüder Wolf gingen mit der Zeit, doch die Zeit nicht mit ihnen. Für ihr Programm "Hamburg im Krieg" im Neuen Theater am Besenbinderhof tauschen sie 1914 noch vorübergehend ihre Hafenarbeiterkluft gegen Kommisskleidung aus und stellen sich mit ihrem Couplet "ln der grauen Felduniform" als siegesgewisse Frontsoldaten während eines kurzen Heimaturlaubs vor. 1924 nehmen die geborenen Brüder Isaac offiziell ihren Künstlernamen an. Zwei Jahre später stirbt Leopold, an seine Stelle tritt sein Sohn James. Er erlebt ab 1933 die zunehmenden Arbeitsbeschränkungen bis zum erzwungenen Abschied von der Bühne. 1939 emigriert er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Donat nach Shanghai. Sein Onkel James, der Jüngste des ehemaligen "Wolf-Trios", wird 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er 1943 stirbt. Ludwig überlebt die nationalsozialistische Herrschaft dank der "arischen Abstammung" seiner Ehefrau und stirbt Mitte der 50er Jahre in Hamburg. In der deutsch-jüdischen Kolonie von Shanghai verdienen sich James und Donat als "Gebrüder Wolf" ihr erstes Geld. Als 1947 die Truppen Mao Tsetungs heranrücken, emigrieren sie in die USA. Anfänglich leben beide eine Zeitlang in New York, wo sie noch einige Male die Gebrüder Wolf auf die Bretter stellen. 1981 stirbt James, zwei Jahre später Donat Wolf. Sein Enkel, Dan Wolf, gleichsam der Urenkel Ludwig Wolfs, schreibt die Geschichte seiner Vorfahren heute fort. Als Schauspieler, Theaterautor und Rapper lebt er in San Francisco und gab im letzten Jahr mit seiner HipHop-Band "Felonious" ein Konzert in Hamburg.
Popularität wie Einfluss der "Gebrüder Wolf" als Art Hamburger Marx-Brothers auf das kulturelle Leben der Stadt sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Dass beispielsweise die geistige Autorenschaft des Hamburg-Evergreens "An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband" den Gebrüder Wolf gebührt, wissen nur wenige. Zusammen mit Peter Franke und Gerhard Garbers begibt sich Ulrich Waller im Projekt über die "Gebrüder Wolf" auf Spurensuche und stellt dabei zwölf der besten Lieder ihres Repertoires ebenso wie Sketche und Szenen ihrer Film-Drehbücher vor. Erzählt wird dabei fast nebenbei auch die Geschichte zweier Juden in Hamburg.

Mit Peter Franke und Gerhard Garbers
Buch und Regie: Ulrich Waller.
Arrangements und musikalische Einstudierung: Gerd Bellmann
Premiere: 18. Januar 2002



"Stateless"
von Dan Wolf (Synopse)

Darsteller: Dan Wolf und Tommy Sheperd

Stateless bedeutet im doppelten Wortsinn: Staatenlos und "ohne Status"

In der Zeit von 1895 bis 1933 waren die Gebrüder Wolf Sänger und Autoren von populären Hamburger Liedern, Komödianten und Revuestars, die berühmte Operettenmelodien mit ihren eigenen komödiantischen Texten verbanden. Lieder wie "Snuten un Poten" - ein Lied über ein Hamburger Gericht aus Schweineschnauzen und -füßen - und "An de Eck steih´n Jung mit´n Tüdelband", die von ihnen komponiert wurden oder ihre Ursprünge in ihren Kompositionen haben, sind noch heute populär oder gelten als heimlich Hamburger Hymne. Ihr Niedergang beschreibt ein Deutsch-Jüdisches Schicksal mit Berufsverbot, Ermordung in Konzentrationslagern, Emigration nach Shanghai und New York und Überleben in Hamburg.

"Stateless" erzählt die Geschichte der Urenkel von Emigranten die ihre Kunstform benutzen, um ihre verlorene Identität wieder zu finden. Der "Rapper" Dan Wolf und der "Beatboxer" Tommy Sheperd reisen nach Hamburg, um ihre Musik auf Straßen und in Clubs aufzuführen. Mit der Melodie eines traditionellen Hamburg Liedes, einem 42seitigen Brief von Dans Großvater und einem Besuch in einem alten Theater, das einmal Dans Urgroßvater gehörte, verändert sich die Reise in ein HipHop-Varietee, das Dan und Tommy als einen Juden und einen Schwarzen darstellt; Brüder, die ihren Weg aus ihren eigenen Schwierigkeiten heraus finden. "Stateless" ist eine schauspielerische Entdeckungsreise, die zeigt, wie ein Schicksal die Kreativität vorantreibt, um die Folgen des Krieges zu überwinden.




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